Warum legen die Meeresschildkröten plötzlich ihre Eier auf Mallorca ab?
Am 7. Juni 2023 wurde auf Mallorca das erste Gelege einer Unechten Karettschildkröte (Caretta caretta) entdeckt. Die verschiedenen Auswirkungen des Klimawandels, unter anderem die globale Erwärmung, haben dazu geführt, dass man an den Küsten des westlichen Mittelmeers immer häufiger nistende Meeresschildkröten antreffen kann.
Etwas mehr als einen Monat später entdeckte man am 10. Juli ein weiteres Gelege auf derselben Baleareninsel. In diesem Jahr wurden an den spanischen Küsten bis jetzt 21 Gelege von Meeresschildkröten gefunden – eine historische Ziffer.
Was ist der Grund für diese Verhaltensänderung der Meeresschildkröten?
Es ist wahrscheinlich, dass die Schildkröten die Eier in nördlicheren Breiten ablegen, damit sie erfolgreich ausgebrütet werden und die Proportion der Geschlechter ausgeglichener und somit die Arterhaltung gesichert ist, denn das Geschlecht der Schildkrötenbabys hängt von der Temperatur in der Brutstätte ab. Bei der Karettschildkröte werden bei Temperaturen unter 29ºC mehr Männchen ausgebrütet und bei höheren Temperaturen mehr Weibchen.
Die Meeresschildkröten nisten immer an ihrem Geburtsstrand. Diese Geburtsortstreue wird in der zoologischen Fachsprache Philopatrie genannt. Daher ist anzunehmen, dass die Eiablage in diesen Breiten auf eine Störung im Verhalten der Tiere, auf einen Irrtum bei der Identifizierung der Strände oder auf den Zufall zurückzuführen ist. Es könnte aber auch sein, dass sich die Schildkröten anpassen und deshalb diese Strände zum Nisten wählen. Soweit bekannt ist, orientieren sie sich sehr gut anhand der Meeresströmungen, der Temperaturgradienten und sogar anhand magnetischer Signale und des Schalls.
Aus diesem Grund trifft die Apothekerkammer der Balearen (COFIB) jedes Jahr in Zusammenarbeit mit der Stiftung Palma Aquarium Vorbereitungen für die Ankunft weiterer nistender Meeresschildkröten auf den Balearen. Da das Nisten auf den Inseln immer öfter vorkommt, möchten wir Ihnen einiges über den Lebenszyklus der verschiedenen Arten der Meeresschildkröten erzählen.
Die am häufigsten vorkommende Art in unseren Gewässern ist die Unechte Karettschildkröte (Caretta caretta). Die Meeresschildkröten verbringen fast das gesamte Leben im Wasser, nur die Weibchen kehren an die Strände zurück, um die Eier abzulegen. Sie erreichen die Geschlechtsreife in einem Alter von 20 – 30 Jahren. Ab diesem Alter kehren sie zu ihrem Geburtsstrand zurück und paaren sich im Wasser nahe der Küste.
Die Fortpflanzungszyklen der Meeresschildkröten verlaufen sequentiell: Die Unechte Karettschildkröte pflanzt sich alle zwei Jahre fort. Dieser Rhythmus kann sich gelegentlich aufgrund von Nahrungsmangel, Umweltveränderungen, Alter, Krankheiten etc. ändern.
Ein bis zwei Monate nach der Paarung kommen die Weibchen an Land, um die Eier abzulegen. Xisca Pujol, die für das balearische Netzwerk für gestrandete Meerestiere der Stiftung Palma Aquarium zuständig ist, erzählt uns, dass „die Eiablage in der Regel im Sommer auf ausgedehnten Sandstränden und stets bei Temperaturen an der Oberfläche des Meeres über 24ºC erfolgt“.
Die Unechte Karettschildkröte legt nicht alle Eier auf einmal, sondern pro Nistsaison durchschnittlich vier Gelege in Abständen von 10 bis 14 Tagen. Die Weibchen, die zum ersten Mal nisten, nutzen die Erfahrung der älteren Schildkröten und schließen sich ihnen bei den Migrationen an. Die Männchen paaren sich mit Weibchen aus verschiedenen Nistbereichen, sodass ein intensiver Genfluss zwischen Populationen besteht.
Die Eiablage erfolgt fast immer nachts bis in die frühen Morgenstunden und dauert je nach Schildkrötenart 1 bis 3 Stunden. Wenn das Weibchen aus dem Wasser kommt, kriecht es bis zum höchstgelegenen Bereich des Strandes und dort, außer Reichweite der Flut, gräbt es mit seinen Flossen ein Nest.
Je nach Art legen die Weibchen 70 bis 240 runde Eier mit weicher, lederartiger Schale. Die Unechte Karettschildkröte legt 90 bis 110 Eier. Dann decken sie das Gelege mithilfe ihrer Hinterflossen mit Sand zu und kehren ins Meer zurück.
„Im Allgemeinen reagieren die Schildkröten sehr sensibel auf externe Störungen, wenn sie aus dem Meer auftauchen, und sie können den Nestbau jederzeit unterbrechen und ins Meer zurückkehren, aber wenn sie begonnen haben, die Eier zu legen, brechen sie den Eiablageprozess nicht ab“, erklärt Xisca.
Daher bitten wir Sie, sollten Sie am Ufer eine Meeresschildkröte oder Spuren von Schildkröten oder Schlüpflingen finden, sofort die Notrufnummer 112 anzurufen, damit das Nistprotokoll aktiviert wird.
Wenn Sie auf eine nistende Schildkröte stoßen, wählen Sie die Notrufnummer 112 und stören Sie das Tier nicht. Verbleiben Sie in einer Entfernung von mindestens 15 Metern und verhindern Sie, dass sich Menschen und/oder Hunde der Schildkröte nähern. Erschrecken Sie sie nicht, indem Sie sie mit Blitzlicht fotografieren oder Lärm machen. Es ist sehr wichtig, diese Anweisungen zu befolgen, um zu verhindern, dass das Tier Angst bekommt und ins Meer zurückkehrt, ohne die Eier gelegt zu haben.
Wenn Sie eine Spur finden, vermeiden Sie, darauf zu treten oder dass andere Menschen auf sie treten, damit sie von den Experten untersucht werden kann.
Wenn Sie Schlüpflinge finden, verhindern Sie wenn möglich, dass sie ins Meer gelangen. Sammeln Sie sie ein und halten Sie sie feucht, aber nicht in Wasser, und im Schatten, bis das zuständige Expertenteam eintrifft.
Bei jeder der aufeinander folgenden Eiablagen legt das Weibchen weniger Eier als bei der vorherigen. Nach der letzten Eiablage der Nistsaison kehren die Weibchen in die Zonen zurück, in der sich die adulten Tiere ernähren, und verbleiben dort bis zur nächsten Fortpflanzungssaison.
Die Eier werden ohne jegliches elterliches Mitwirken im Sand ausgebrütet. Je nach Nesttemperatur schlüpfen die jungen Schildkröten nach 6 bis 13 Wochen. Um den Erfolg des Nistens auf den Balearen zu gewährleisten, wurde ein Teil der Eier in die Brutkästen des Labors für Meeresforschung und Aquakultur der Balearen (LIMIA) und des Palma Aquarium gebracht.
Die Meeresschildkröten stellen einen unschätzbaren Naturwert dar und ihre Erhaltung ist unbedingt erforderlich, um die Ökosysteme unserer Meere zu bewahren. Daher ist die Stiftung Palma Aquarium tagtäglich darum bemüht und unterhält mehrere Projekte zur Erhaltung der Meeresschildkröten. Beispiele dafür sind unter anderem das balearische Netzwerk für gestrandete Meerestiere, das Projekt `Head starting´ und das Projekt Anida.
Es ist sehr wahrscheinlich, dass die Unechte Karettschildkröte in den kommenden Jahren weiterhin und vielleicht sogar vermehrt an unseren Küsten nisten wird. Daher hoffen wir, dass Sie, zumal Sie nun mehr über diese wunderbaren Lebewesen wissen, mit uns den Wunsch teilen, sie zu beschützen und zu pflegen, sodass wir ihnen und den kommenden Generationen eine hoffnungsvolle Zukunft sichern können.